In Paris erscheint 1922 der Roman „Ulysses” als zensierter Privatdruck in einer Auflage von 1000 Exemplaren anlässlich des vierzigsten Geburtstags seines Autors James Joyce.

Französische und belgische Truppen besetzen 1923 wegen nicht gezahlter Reparationsleistungen das Ruhrgebiet.

1929: „Schwarzer Freitag” an der New-Yorker Börse. Dieser löst eine Wirtschaftskrise aus.
Antonin Artaud (1896-1948)
"Transparente Gelenke"
Antonin Artauds Konzeption eines magisch-religiösen Theaters beruht nicht nur auf seinen Bühnenexperimenten im Geiste des Surrealismus, sondern auch auf Anregungen der französischen Pantomimen-Tradition, wie sie in den zwanziger Jahren wieder aufgenommen und für die Schauspielkunst fruchtbar gemacht wurde.

Die Ausrichtung seiner schauspielerischen Praxis wie seiner Theorie auf das Körperliche entsprang einer tiefen Skepsis gegenüber der Wortsprache. Auch sein dichterisches Schaffen war davon bestimmt. In seiner Späthphase schrieb er nur noch Lautgedichte, welche er selbst vortrug.

Artauds Hoffnung auf eine Erneuerung der abendländischen Zivilisation durch die Bühne wurzelt in der Begegnung mit dem balinesischen Tanztheater. Es handelt sich hier um ein rituell fundiertes Theater, welches mit gestischen Mitteln hinduistische Mythen zur Darstellung bringt. Alles ist genau vorgeschrieben, jedes Requisit, jedes Kostümdetail, jede Maske, jeder Schritt, jede Geste, jede Mundbewegung, jedes Augenrollen. Vor allem die Handbewegungen und ihre Bedeutungen sind durch einen künstlichen Code fixiert.

Das abendländische Publikum hat sich seit der Renaissance an ein wirklichkeitsabbildendes, rein beschreibendes Theater gewöhnt, das immer nur erzählt, psychologische Konflikte darstellt, wie sie dem Menschen in der täglichen Aktualität des Lebens begegnen. Im fernöstlichen Theater dagegen besteht die Aufgabe des Schauspielers nicht darin, das Diesseitige darzustellen, sondern eine suggestive Ansicht vom universellen Sein zu enthüllen, die den Zuschauer in seinen seelischen Tiefenschichten erschüttert.

In Artauds Theatervision ist alles darauf gerichtet, den Zuschauer in seiner Totalität anzusprechen, in Beschlag zu nehmen, seine Sinne und seine Nerven zu attackieren, keinen Teil seiner Sensibilität unbesetzt zu lassen. Die Bühne soll den Geist der Anarchie zum Ausdruck bringen, und die magischen Wurzeln der Kultur ins Blickfeld rücken. Es ging ihm allerdings nicht um die einfache Wiederherstellung eines Zustandes, in dem der Mensch durch Rituale die Natur zu bezwingen und sein Schicksal zu meistern suchte.

In seinem Verständnis der schauspielerischen Arbeit kommt dem Atem eine besonders nichtige Rolle zu. Mittels des Atems kann sich der Schauspieler ein Gefühl, das er nicht hat, wieder zu eigen machen. Durch extreme Ausdruckszeichen muss der Schauspieler im "Theater der Grausamkeit" seine Zuschauer in ein Delirium versetzen, er muss sie hypnotisieren.
Inhaltsverzeichnis
vorige Seite nächste Seite