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Henrik Ibsen (1828-1906) |
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1. Ausgabe "Die Weber" |
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Der Begriff "Naturalismus" bezeichnet eine in den letzten beiden Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts in fast allen Ländern Europas verbreitete Erscheinungsform von Drama und Theater. Ihr hauptsächliches Kennzeichen ist die Orientierung am Prinzip der Realitätstreue. Sprache und Gestik, Bühnenbild und Kostüm sind bis ins Detail der Wirklichkeit nachgestaltet. Die Personen handeln und sprechen wie im Alltag. Die bereits von Diderot entwickelte Vorstellung der "vierten Wand" wird wieder aufgenommen. Die Darsteller sollen so agieren, als ob die Zuschauer gar nicht anwesend wären.
Das Theater des Naturalismus bestand nicht mehr allein im Amüsement und der Erbauung der Zuschauer. Es setzte sich vielmehr in scharfe Opposition gegen die seichte Unterhaltung und den erstarrten Historismus. Indem sie nach Darstellung der aktuellen Situation strebten, konfrontierten Autoren und Theatermacher ihr bildungsbürgerliches Publikum mit den verdrängten Gegenwartsproblemen seiner Klasse und darüber hinaus mit dem Elend des ausgebeuteten Proletariats.
In dem Bereich der dramatischen Literatur war der Norweger Henrik Ibsen der Begründer des Naturalismus. Er nahm die bürgerliche Existenz als Ausgangspunkt für
seine Betrachtungen und Analysen. In den Gesellschaftsstücken hielt er dem Bürgertum den Spiegel vor, in dem es den tiefen Widerspruch zwischen seinen nach außen zur Schau getragenen Sittlichkeit und der Unmoral des tatsächlichen Verhaltens sehen konnte.
Der Schwede August Strindberg hat als Dramatiker in Henrik Ibsens Spur begonnen. Er propagierte vor allem die Darstellung des inneren Konflikts der Figuren. In diesem Sinne forderte er ein "neues psychologisches Drama". Die typischen Themen seiner Werke sind: Kampf der Geschlechter, Widerstand gegen die Frauenemanzipation, männliche Eifersucht.
In Deutschland setzte der Naturalismus infolge des übertriebenen Nationalgefühls gegen die ausländische, vor allem die französische Kultur, erst relativ spät ein. Nach 1880 erhoben aber auch hier die Schriftsteller Protest gegen die Wirklichkeitsferne der zeitgenössischen Literatur. Dahinter stand der Wunsch nach grundlegenden sozialen Reformen.
Wesentlichen Anteil hatte Gerhart Hauptmann, der mit seinem Dialektstück (schlesische Mundart) "Die Weber" dramaturgisches Neuland betrat. Treibende Kraft ist hier nicht mehr ein individueller Held, sondern die Menge. Der Autor lässt die Ausgebeuteten selbst ihre Not aussprechen und das Schicksal in die eigene Hand nehmen. Kaiser Wilhelm II. kündigte aus Protest seine Loge im Deutschen Theater.
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