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Erwin Piscator (1893-1966) |
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Rolf Hochhuth: "Der Stellvertreter" |
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Friedrich Schiller: "Die Räuber" |
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Nach dem Ersten Weltkrieg hat sich als erster Erwin Piscator um die Ausrichtung des deutschen Theaters auf die Politik bemüht. Neben Bertolt Brecht entwickelte er im Berlin der zwanziger Jahre ein Theater, das mit radikaler Konsequenz die Interessen des Proletariats vertrat. Realisierung seiner Dokumentarstücke nutzte er die Mittel der modernen Bühnentechnik, wie zum Beispiel die Projektion und das laufende Rand. Zudem stellte Piscator mit seiner "Revue Roter Rummel", inszeniert für den Reichstagswahlkampf der KPD im Jahre 1924, dem meist von Laien getragenen Agitprop-Theater ein Grundmuster zur Verfügung.
Im Gegensatz zu den herrschenden Kunstströmungen verfolgte Piscator mit seinem Politischem Theater zwei Ziele: die Propagierung und Vertiefung des kommunistischen Gedankens, sowie die Erziehung jener, die politisch noch schwankend und gleichgültig sind. Einen großen Teil der Weltliteratur wollte Piscator der revolutionären proletarischen Sache dienstbar machen.
Dazu ist es während der kurzen Lebensdauer des Politischen Theaters nicht gekommen. Es wurden kleine Agitationsstücke, die in einer auf Vereinfachung und Typisierung zielenden Spielweise beruhen, dargeboten. Der Erfolg des Unternehmens beweist, dass die Erwartungen der Zuschauer in hohem Maße erfüllt wurden. Die Anhänger eines bürgerlichen Kunstbegriffs in der KPD dagegen kritisierten Piscators Ansatz.
Das politische Theater sollte dem Unterhaltungsbedürfnis breiter Schichten entgegenkommen, die politische Botschaft direkt und eindeutig vermitteln, die spontane Berücksichtigung aktueller Ereignisse ermöglichen und durch Abwechslung das Interesse wach halten. Als dramaturgisches Vorbild diente ihm die bürgerliche Revue mit Tanz, Gesang, Artistik, Zauberkunststücken, und Couplets. In der von Piscator umfunktionierten Form bestand die Revue aus Sketchen, Kampfliedern, Rezitationen, Darbietungen von Arbeitersportlern und Schnellzeichnern. Selbstverständlich besiegte der positiv überzeichnete Proletarier immer wieder seinen dümmlichen Partner.
Nach 1925 bildeten sich in mehreren deutschen Großstädten Agitprop-Truppen. 1929, als das Agitprop-Theater auf seinem Höhepunkt war, spielten in Deutschland dreihundert Gruppen, die mehr als dreieinhalb Millionen Zuschauer erreichten. Die Laienschauspieler verstanden sich als Sprachrohr der Massen und orientierten sich bei der Themenwahl ganz an den konkreten Problemen ihrer Zielgruppe. Gespielt wurde auf Lastwagen, in Hinterhöfen und Wirtshäusern. Praktikabilität und Mobilität galten als oberste Prinzipien der Bühnengestaltung. Als Grundkostüm diente meist der blaue Overall, die soziale Charakterisierung der Figuren erfolgte durch zeichenhafte Attribute wie Zigarre, Frack und Melone.
Parallel zu seiner Arbeit mit Amateuren aus der Arbeiterbewegung versuchte Piscator, seine politischen Ziele auch im Berufstheater zu verfolgen. Neben der eigentlichen Inszenierung eines Stückes projizierte er auf einer Leinwand Photographien, Zeitungsausschnitte, Plakate und andere Dokumente aus Geschichte und Gegenwart. Sie verdeutlichten die Aktualität des historischen Geschehens und erklärten die politischen Zusammenhänge. Die Vorgänge zwischen den Individuen erschienen eingebettet in ihr konkretes soziales Umfeld. Für dieses hier zum ersten Mal angewandte Verfahren hat Piscator den Begriff "Soziologische Dramaturgie" geprägt.
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